Liebe Martina, du bist Physiotherapeutin, Heilpraktikerin und Osteopathin. Du behandelst in deiner eigenen Praxis Kinder und Erwachsene. Dabei hast du dich speziell auf die Behandlung von Frauen in der Schwangerschaft und nach der Entbindung sowie auf Kinder spezialisiert.
Martina, warum kommen die Frauen in der Schwangerschaft zu dir – was sind typische Beschwerden, die häufig vorkommen?
Martina Vogel: Viele Patientinnen kommen während der Schwangerschaft mit Schmerzen im unteren Rücken, die oft im Verlauf des Ischiasnervs in das Gesäß und auch in das Bein ausstrahlen können. Kopf- und Nackenschmerzen sind ebenfalls ein häufig vorkommendes Anliegen sowie Schmerzen an den Hüften (besonders in Seitlage), an den Leisten oder am Damm.
Viele Frauen kommen auch gerne im Hinblick auf die Geburt, um sich auf dieses besondere Ereignis vorzubereiten und um optimale Bedingungen zu schaffen, damit die Geburt möglichst gut verlaufen kann. Dieses Anliegen ist auch für Frauen interessant, die Ihre Schwangerschaft weitgehend beschwerdefrei erleben. Auch ein Baby in Beckenendlage kann ein Konsultationsgrund sein.
Kirsten Ohlhagen: In einem Krankenhaus käme in diesem Falle wahrscheinlich eine „Äußere Wendung” zur Anwendung …
Martina Vogel: Die Osteopathie verfolgt die Idee, dem Kind die bestmöglichen Voraussetzungen zu schaffen, so dass es sich doch noch von selbst in Schädellage drehen kann. Durch die Entspannung der Gebärmuttermuskulatur und durch die Behandlung des Beckenringes sowie der umgebenden Weichteile wird dem Kind Raum gegeben. Es ist eine gute Chance und es bleibt zu respektieren, wenn das Baby doch in Beckenendlage verweilt.
Kirsten Ohlhagen: Kommen die Frauen eher in der ersten Schwangerschaft zu dir in die osteopathische Praxis oder bei der zweiten, dritten … Schwangerschaft?
Martina Vogel: Beide Fälle kommen vor. Viele Frauen kommen mit Beschwerden im Zuge ihrer ersten Schwangerschaft – auf Anraten ihrer Ärztin/Hebamme oder auf Grund der Empfehlung einer Freundin. Manche Frauen haben negative Erfahrungen während ihrer ersten Schwangerschaft oder Geburt gemacht und möchten nicht, dass sich diese wiederholen. Sie überlegen ganz gezielt: „Was kann ich jetzt in der zweiten Schwangerschaft tun, damit die zweite Geburt besser verläuft als die erste?” Das ist eine sehr häufig gestellte Frage.
Kirsten Ohlhagen: Ich hatte auf deiner Website www.osteopathie-vogel.de gelesen, dass es gut wäre, wenn die Frauen es während der Schwangerschaft schaffen würden, rund viermal zur osteopathischen Behandlung zu kommen …
Martina Vogel: … ich habe diese Zahl genannt, weil die Frage danach oft kommt und der Wunsch nach einer Anzahl zur Orientierung groß ist. Sie ist aber nur ein erster Anhaltspunkt – eine präzise Antwort darauf ist sehr, sehr individuell. Es gibt so viele Faktoren, die mit hineinspielen: „Bin ich jung und gesund? Habe ich Beschwerden? Hatte ich schon mal eine Beckenverletzung? Hatte ich schon mal einen Unfall? Hatte ich schon einmal Bandscheibenprobleme vor der Schwangerschaft – und wie lange hielten sie an?” Erst mit den Antworten auf diese und weiterführende Fragen kann eine verlässliche Einschätzung erfolgen.
Kirsten Ohlhagen: Das kann ich gut verstehen – ich kenne das auch aus meinen Rückbildungskursen. Da werde ich oft in der ersten Stunde gefragt: „Und wann kann ich wieder joggen?”. Da kann ich auch nur sagen, dass das von vielen Faktoren vor, während und nach der Geburt abhängig ist und man sich da erstmal herantasten muss. Die Zeit wird es zeigen.
Martina Vogel: Genau so sehe ich das auch. Jeder Körper reagiert mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und Intensität auf Veränderungen. Angenommen die Frau hatte bereits einen Unfall – dann ist die Frage: „Wie lange ist das her? Letztes Jahr oder vor 10 Jahren?” Dann bekomme ich eine genauere Vorstellung davon, wie lange ihr Körper bereits mit diesem Erlebnis beschäftigt ist.
Kirsten Ohlhagen: Gibt es eine Art „Zeitplan” für bestimmte Behandlungen? Also etwas, das man zum Beispiel „immer„ in der 20. oder 30. Woche macht?
Martina Vogel: Nein, auch das ist sehr individuell und genau angepasst an den Befund beziehungsweise an persönliche Themen – es kann sein, dass sich eine Frau zum Beispiel speziell um das Thema Atmung kümmern möchte oder bestimmte Sorgen oder Ängste hat.
Erst zum Ende der Schwangerschaft hin, wenn es wirklich auf die Geburt zugeht, gleichen sich die Themen an. Dann geht es zum Beispiel darum, dass die Psoasmuskeln und auch die Gebärmuttermuskulatur in ihrer Spannung gut ausgeglichen sind. Wenn das der Fall ist, dann kann sich das Kind – wenn es soweit ist – effektiv auf den Weg machen – das Köpfchen findet dann „passgenau” den Ausgang. Die Psoasmuskeln nennt man auch „Geburtsrutsche” – sie verlaufen aufeinander zu und auf ihnen rutscht dann das Köpfchen voran.
Kirsten Ohlhagen: Wie wichtig und beeindruckend das Thema Dehnbarkeit/Elastizität ist, wurde mir neulich erst wieder in einem Geburtsvorbereitungskurs klar, als die Hebamme ein Brett mit einem Loch von 10 Zentimeter Durchmesser hochhielt – als Vergleichsgröße für die Öffnung des Muttermundes. Jeder dachte: „Wie geht das?”. Alle haben es schon gehört oder erlebt, aber wenn man es dann mal an solch einem Beispiel sieht, wundert man sich schon!
Martina Vogel: Es ist faszinierend: der Beckenboden kann einerseits so dicht halten, dass kein Tröpfchen Urin hindurchgeht und andererseits so weit werden, dass er ein ganzes Kind hindurchlässt.
Kirsten Ohlhagen: Du kommst als Osteopathin ja auch sehr „von den Knochen” und schaust zum Beispiel, ob das Becken symmetrisch ist. Kannst du das Becken auch weicher, anpassungsfähiger machen?
Martina Vogel: Eine gute Mobilität im knöchernen Beckenring ist entscheidend. Das kindliche Köpfchen kommt mit der Vorderseite des mütterlichen Kreuzbeines in Kontakt und drückt das mütterliche Steißbein unter der Geburt nach hinten – eine gute Beweglichkeit dieser beiden Knochen ist äußerst wichtig.
Die beiden Iliosakralgelenke und die Symphyse werden auf Ihre Beweglichkeit hin überprüft und gegebenenfalls behandelt.
Die Bewegungsmöglichkeiten dieser Knochen und Gelenke sind nur klein, aber sie machen einen großen Unterschied! Es handelt sich hierbei um Schlüsselstellen, die ihre natürlichen Bewegungsmöglichkeiten möglichst frei ausschöpfen können sollten. Wenn diese Gelenke – zum Beispiel in Folge eines Autounfalles – blockiert sind, kann es passieren, dass eine Frau zwar zwei Tage lang Wehen hat, sich aber dennoch kaum ein Geburtsfortschritt abzeichnet.
Kirsten Ohlhagen: Das ist also auch etwas, das du sicherlich in einem der letzten Termine vor der Entbindung machen würdest, oder?
Martina Vogel: Ja, genau. Diese Bereiche werden beim letzten Termin vor der Geburt sicherlich kontrolliert. Wenn klar ist, dass hier Handlungsbedarf besteht, behandle ich gern auch schon im früheren Verlauf oder sogar vor Eintreten einer Schwangerschaft.
Kirsten Ohlhagen: Das bedeutet aber ja doch, dass du auch Frauen helfen kannst, die bereits kurz vor dem Entbindungstermin stehen, richtig?!
Martina Vogel: Es ist nie zu spät! Gerade letzte Woche hatte ich noch eine Patientin, die in der 40. Woche erstmals zur Behandlung kam.
Kirsten Ohlhagen: Du sprichst auf deiner Website davon, dass du dir auch die „Statik“ eines Körpers anguckst. Was verstehst du darunter genau?
Martina Vogel: Die Statik eines Menschen betrachte ich gern im Stand: werden beide Füße gleichmäßig belastet, gibt es einen Beckenschiefstand, wie stellen sich die natürlichen Schwingungen der Wirbelsäule dar, wie ist die Position des Kopfes und der Arme?
So ergeben sich erste Hinweise auf die Bereiche im Körper, die besondere Aufmerksamkeit benötigen. Das Ziel der Behandlung ist es, möglichst in Balance zu kommen, allen Gelenken und Geweben zu ihrer optimalen Mobilität zu verhelfen – nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig. Der Körper wird in seiner Gesamtheit betrachtet, wobei der Fokus während der Schwangerschaft auf dem Becken, dem unteren Rücken und den Hüften liegt.
Kirsten Ohlhagen: Kannst du auch bei Symphysenschmerzen beziehungsweise Problemen mit der Symphyse helfen? Also zum Beispiel bei einer Lockerung, die dann ins Bein abstrahlt.
Martina Vogel: Dabei ist es wichtig, den Beckenring immer als Ganzes zu betrachten – also die Symphyse und auch die Iliosakralgelenke. Wenn ein Bereich nicht in Ordnung ist, hat das immer auch Auswirkungen auf den anderen Bereich.
Kirsten Ohlhagen: Ich sage in meinen Kursen ja immer: Macht euch lang! Dann habt ihr mehr Platz zum Atmen, in den meisten Fällen weniger Rückenschmerzen und in letzter Instanz hat auch euer Baby mehr Platz, um sich zu entwickeln.
Martina Vogel: Es ist sicherlich so, dass eine gute Haltung wirksam gegen manche Beschwerden, Verspannungen und Schmerzen ist – anders als wenn man gebeugt durch die Welt geht. Eine gute Aufrichtung bedeutet, dass das Blut und weitere Flüssigkeiten (wie zum Beispiel die Lymphe) gut fließen können und es weniger zu Stauungen kommt. Eine gute Zirkulation ist etwas, das man sich für eine Schwangerschaft besonders wünscht – eine anhaltend gute Durchblutung zur optimalen Versorgung von Mutter und Kind.
Kirsten Ohlhagen: Würdest du sagen, dass es besonders dankbar/effektiv/wirkungsvoll ist, Frauen nach der Entbindung zu behandeln? Einfach weil die Bänder, die Muskeln und das Gewebe dann so viel weicher ist?
Kirsten Ohlhagen: Ich sage den Frauen immer: Neun Monate nach dem Abstillen seid ihr hormonell ungefähr wieder da, wo ihr vor der Schwangerschaft wart.
Martina Vogel: Ja, auf jeden Fall! Die Zeit nach der Entbindung ist ideal um Geburtsfolgen und andere Beschwerden zu behandeln. Die Vorteile bleiben recht lange, also über die gesamte Stillzeit hinweg erhalten.
Martina Vogel: Genau, und auch danach ist es nicht zu spät zu behandeln, wenn noch körperliche Folgen von Schwangerschaft und Geburt spürbar sind.
Kirsten Ohlhagen: Der gesamte Körper – und speziell auch das Becken – ist unter der Geburt hohen Belastungen und vielen Bewegungen ausgesetzt. Worauf achtest du als Osteopathin besonders, wenn Frauen nach der Entbindung zu dir kommen?
Martina Vogel: Nach der Entbindung findet im Körper der Mutter ein Regulationsprozess statt. Im Rahmen der Osteopathie werden all diejenigen Strukturen untersucht, die sich während der Schwangerschaft und der Geburt besonders angepasst haben. Die Rückbildung kann bei Bedarf unterstützt werden.
An dieser Stelle ist auch die Einstichstelle einer PDA zu untersuchen, da diese die Rückenmarkshäute und die Lendenwirbelsäule nachfolgend stören kann.
Oft treten auch Schmerzen am Steißbein und am Kreuzbein auf. Der gesamte Rücken kann betroffen sein; häufig treten Kopf- und Nackenschmerzen auf, die durch das Tragen des Kindes und das Stillen noch verstärkt werden.
Inkontinenz, fehlende Wahrnehmung des Harndranges, ein Schweregefühl auf dem Beckenboden und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr sind weitere Indikationen.
Auch der psychischen Verfassung der Mutter kommt eine wichtige Bedeutung zu, gerade im Hinblick auf die Beziehung zu ihrem Kind und dessen Versorgung.
Kirsten Ohlhagen: In meinem Rückbildungskursen ist das Thema Rektusdiastase natürlich sehr wichtig. Kannst du hier auch helfen?
Martina Vogel: Das Training der Bauchmuskeln ist unumgänglich – und wie ich selbst erleben durfte, ist man in deinen Kursen in den besten Händen.
Die Osteopathie kann einen Beitrag für einen zufriedenstellenden Trainingserfolg leisten, indem sie die Position der muskulären Ansatzpunkte überprüft und schaut ob der Beckenring eine gute Position hat und nicht verwrungen ist. Dann läuft das Training leichter und effektiver ab.
Kirsten Ohlhagen: Wenn du als Osteopathin vom Beckenboden sprichst – meinst du dann alle drei Schichten?
Martina Vogel: Ja, genau, weil die osteopathischen Techniken alle Schichten gemeinsam ansprechen. Ich untersuche den Beckenboden gerne im Sitzen, fasse um den Sitzbeinhöcker herum und lege die Fingerspitzen auf das Gewebe an der Innenseite. So kann der Spannungszustand des Beckenbodens im Seitenvergleich beurteilt werden.
Kirsten Ohlhagen: Sind Geburtsverletzungen eigentlich auch ein Thema für Osteopathen?
Martina Vogel: Geburtsbedingte Narben durch einen Dammriss/‐schnitt oder einen Kaiserschnitt können behandelt werden. Restriktive Narben können unbehandelt neben lokalen Schmerzen zu weiterführenden Beschwerden wie Rückenschmerzen führen, die oft erst längere Zeit, manchmal mehrere Jahre, nach der Geburt auftreten.
Vor einiger Zeit kam eine Patientin mit einer verhärteten Narbe in Folge eines großen Scheidenrisses in meine Praxis. Das narbige Gewebe verursachte ihr starke Missempfindungen und Schmerzen. Eine gynäkologische Untersuchung beim Arzt war für sie kaum möglich und auch der Wunsch ein zweites Kind zu bekommen schien zunächst kaum umsetzbar. Sie sagte ganz klar „Wenn mir dabei nicht jemand hilft, kann ich auch kein zweites Kind bekommen.” Das Gewebe wurde infolge der Behandlungen wieder weicher und auch der Pudendusnerv – und damit die Überempfindlichkeit – normalisierten sich wieder.
Kirsten Ohlhagen: Wofür ist der Pudendusnerv da?
Martina Vogel: Der Pudendusnerv – auch Schamnerv genannt – versorgt kurz gefasst zum einen den Beckenboden motorisch sowie den Damm sensibel.
Kirsten Ohlhagen: Bist du als Osteopathin auch eine Ansprechpartnerin für Frauen, die einen Kaiserschnitt hatten? Stichwort „untere Bauchlinie” und „Pyramidenmuskel”?
Martina Vogel: Nach einem Kaiserschnitt ist die Mobilität der einzelnen Gewebeschichten besonders wichtig. Eine große Rolle spielen für mich dabei auch immer die Fragen: „Wie ist es zu diesem Kaiserschnitt gekommen? War er gewünscht und geplant, hatte er einen medizinischen Anlass? Verlief die Geburt vielleicht ganz anders als gewünscht?” Diese Fragestellungen haben ihren ganz eigenen Raum in der Behandlung.
Kirsten Ohlhagen: Physisches und emotionales Empfinden hängen eng zusammen. Das gilt ja auch für den eben von dir beschriebenen Fall von der Patientin mit den Missempfindungen. Wenn wir uns körperlich nicht gut fühlen, „macht“ das ja auch auf emotionaler Ebene etwas mit uns. Das heißt: Körperliches und seelisches Wohlbefinden gehen bei dir auch Hand in Hand, oder?
Martina Vogel: Genau, das körperliche und das emotionale Empfinden bedingen sich gegenseitig. Die eine Frau braucht dabei eher einen Fokus auf der „Mechanik”, eine andere Frau hat eine traumatische erste Geburt hinter sich und möchte sich jetzt ihren Ängsten stellen und besser vorbereitet in die zweite Geburt gehen. Ganz gleich, ob es eher in die mechanische oder in die psychodynamische Richtung geht – in der Osteopathie wird immer mit den Händen gearbeitet.
Das Anlegen der Hände bildet eine Brücke, die Vertrauen schafft und die es den Patientinnen ermöglichen kann, sich zu öffnen, loszulassen und zu verarbeiten. Ich höre dabei oft den Satz „Erstaunlich, dass ich Ihnen das jetzt erzählt habe …”.
Kirsten Ohlhagen: Jetzt zu einem ganz anderen Thema: Nach der Entbindung, in der Stillzeit, haben Frauen ja oft Gelenkschmerzen – viele haben diese in den Füßen. Kannst du da auch helfen?
Martina Vogel: Das ist vor allem ein hormonelles Problem – hier sind die osteopathischen Möglichkeiten begrenzt. Ich kann untersuchen ob darüber hinaus im Fuß oder im Sprunggelenk eine Dysfunktion vorliegt. Die Schmerzen durch weicher gewordene Bänder in den Füßen vergehen mit der Zeit, manchmal erst nach dem Abstillen.
Kirsten Ohlhagen: Kommen wir mal zu den Babys selbst. Inwiefern kannst du als Osteopathin zum Wohlbefinden eines Babys beitragen?
Martina Vogel: Der kindliche Kopf sowie der Schultergürtel erfahren eine Kompression während der Passage des Geburtskanales. Im Rahmen der Behandlung wird kontrolliert ob die noch beweglichen Schädelknochen ihre ursprüngliche Position wieder eingenommen haben und ob der Schulterbereich heil geblieben ist. Es wird untersucht ob die Tränenkanäle frei sind oder ob es Anzeichen für eine Stauung gibt. Für einige Indikationen gibt es besonders gute Zeitfenster um eine Behandlung effektiv durchzuführen. Dies betrifft insbesondere unreife Hüften, Kopfvorzugshaltungen sowie Schädelasymmetrien. Je früher die Behandlung einsetzt, desto schneller und größer ist der Behandlungserfolg.
Die Hüften eines Säuglings sollten umso genauer geprüft werden, wenn sich das Kind in Beckenendlage befand.
Auch bei den Kleinsten wird ein besonderes Augenmerk auf die psychische Verfassung und auf die Entwicklung der Bindung zum Familienstart gelegt.
Kirsten Ohlhagen: Woran erkennt eine Mutter, dass ihr Baby eventuell einen Behandlungsbedarf hat?
Martina Vogel: Bei Säuglingen empfiehlt es sich grundsätzlich einen Termin zum Check-‐up wahrzunehmen. Wenn es dem Kind gut geht, ist der Zeitpunkt drei bis vier Wochen nach der Geburt optimal. Sollte das Kind viel weinen, schlecht in den Schlaf finden und offensichtlich unzufrieden sein, ist eine Untersuchung so bald wie möglich ratsam. Nach besonderen Geburtserlebnissen wie einer sehr schnellen oder sehr langen Geburt, nach Einsatz von Saugglocke oder Zange sowie nach Geburten aus Beckenendlage oder als Sternengucker ist eine Kontrolluntersuchung umso wertvoller.
Zeigt das Kind eine deutliche Lieblingsseite, auf der es den Kopf hält, nimmt der Rumpf eine C‐förmige Haltung ein oder sollte sich eine Stelle am Kopf beginnen abzuflachen, sind dies Gründe, dass Kind vorzustellen.
Zusätzlich zeigen betroffene Kinder häufig eine Überstreckung nach hinten. Dies macht sich oft auch beim Tragen bemerkbar, das Kind fühlt sich angespannt an. Andererseits kann auch ein zu schwacher Muskeltonus und mangelnde Kopfkontrolle einer Abklärung bedürfen.
Ebenso gehören übermäßiges Spucken, Stillprobleme wie eine Trinkschwäche oder einseitig schwierigeres Stillen und Verdauungsstörungen wie Koliken und Verstopfung in den Bereich der Osteopathie.
Kirsten Ohlhagen: Gibt es auch Behandlungen, die für die Kinder schmerzhaft sind?
Martina Vogel: Bei den Babys werden viele Behandlungstechniken „mehr gedacht als gemacht“. Es sind die kleinen, feinen Veränderungen, die durch Anwendung der richtigen Technik und ohne Kraft ausgeführt, zur Besserung führen. Vielleicht empfindet ein Kind mit einem sehr verspannten Nacken mal ein einen „Hauch von unangenehm” – aber mehr auch nicht.
Eltern fragen mich manchmal: „Glauben sie denn, dass sich unser Kind überhaupt behandeln lässt?” Ich kann aus Erfahrung nur sagen: Wenn es nicht gerade Hunger hat oder übermüdet ist, geht es in den allermeisten Fällen sehr gut. Ganz einfach deshalb, weil das Kind spürt, dass die Behandlung wohltuend ist.
Kirsten Ohlhagen: Gibst du auch häufig Übungen für Zuhause mit?
Martina Vogel: Ich gebe sehr gerne Übungen mit, weil ich es schön finde, wenn man selbst auch etwas tun kann und der Effekt sich dadurch noch einmal verstärkt.
Kirsten Ohlhagen: Martina, vielen Dank für das interessante, aufschlussreiche Gespräch!
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für beiderlei Geschlecht.